Michael Heuchemer
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Dr. Michael Heuchemer

  
Frankf. Rundschau 23.11.09

"Mit Rückendeckung von höchster Stelle"

Von Matthias Thieme
 
Der Psychiater Thomas H., der wegen falscher Gutachten in der Steuerfahnder-Affäre verurteilt wurde, gerät jetzt auch in anderen Verfahren unter Druck: Gegen H. ist ein Befangenheitsantrag in dem Prozess gestellt worden, den der Mörder Magnus Gäfgen gegen das Bundesland Hessen führt.

Gäfgen verklagt das Land wegen polizeilicher Folterandrohungen auf Schadenersatz. Ausgerechnet der verurteilte Psychiater Thomas H. war in diesem heiklen Verfahren vom Gericht als Gutachter bestellt worden.

"Wir haben diesen Gutachter abgelehnt, er muss so schnell wie möglich abgelöst werden", sagte Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer der FR. "Seine Bestellung hat irreparablen Schaden in dem Verfahren angerichtet." In dem komplizierten Verfahren sei Thomas H. "der denkbar ungeeignetste Gutachter", so der Anwalt. "Es ist verwunderlich, dass ein berufsrechtlich verurteilter Arzt hier für das Gericht tätig sein soll", sagt Heuchemer. "So etwas hat es in Deutschland noch nicht gegeben, das ist kein Ruhmesblatt für die hessische Justiz."

Das Gericht hat den Arzt bereits "gebeten, die Begutachtung derweil ruhen zulassen", doch der Psychiater will trotzdem weitermachen (siehe Ausriss). Es sei "sehr erstaunlich, dass Thomas H. sich dem Gericht weiter aufnötigt", so Heuchemer.

"Der Befangenheitsantrag liegt dem Gericht vor", sagte Sprecher des Frankfurter Landgerichts, Meinrad Wösthoff, der FR. "Die Kammer wird in Kürze entscheiden." Am Landgericht werde der Psychiater Thomas H. "in Strafverfahren aufgrund seiner Kenntnisse öfter eingesetzt", so der Sprecher. "Er ist sicherlich in unserem Haus gelegentlich zum Einsatz gekommen." Bislang seien "über diesen Sachverständigen keine Beschwerden bekannt". Der Gutachter werde "von der Ärztekammer auf einer Liste von Sachverständigen empfohlen, die dem Gericht vorliegt".

Die Ärztekammer widerspricht dem: "Es gibt keine Gutachterliste", sagte Sprecherin Katja Möhrle der FR. "Auf Anfrage des Gerichts werden jeweils zwei Gutachter benannt." Ob der verurteilte Psychiater Thomas H. weiter vorgeschlagen werde, "prüft die Ärztekammer noch". Bis zur Verurteilung des Arztes seien über ihn "keine negativen Fakten bekannt" gewesen. Man wolle "keine Vorverurteilung vornehmen", so die Sprecherin.

Mittels falscher Gutachten des Psychiaters Thomas H. waren vier hessische Steuerfahnder, die zuvor Großbanken geprüft und auch in der Schwarzgeldaffäre der hessischen CDU ermittelt hatten, aus dem Job gedrängt worden. Der Psychiater hatte für seine Tätigkeit eine im Gutachterwesen äußerst unübliche "Pauschalvereinbarung" mit dem Hessischen Versorgungsamt: 406 Euro hat der Arzt für jedes Gutachten bekommen, alle vier Gutachten über die Steuerfahnder waren laut Berufsgericht unzulässig.

Professor Hans-Ulrich Paeffgen, Leiter des Instituts für Strafrecht der Universität Bonn, hält es für ausgeschlossen, dass der Arzt in diesem Fall völlig eigenmächtig handelte: "Man muss diejenigen finden, die das eingefädelt haben", so Paeffgen. "Das ist in meinen Augen ein Skandal erster Güte", sagt der Strafrechtler. "Die Begutachtung muss ja von einer offiziellen Stelle veranlasst worden sein, das ist eine himmelschreiende Form von Mobbing, Ehrkränkung und Nötigung."

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt müsse aufklären, wer den Arzt angestiftet habe. Für Paeffgen ist offensichtlich, dass der Arzt mit der Finanzverwaltung kooperiert haben muss: "Das wäre sonst das erste Mal, dass in einer Behörde gegen Amtswalter psychiatrische Gutachten beantragt werden, ohne dass jemand auf hoher und höchster Stelle dahinter stünde." Die Verantwortlichen hätten damit schwere Vergehen begangen: "Das ist in meinen Augen Absicht. Die Verwaltung wollte diese missliebigen Beamten mit konstruierten gesundheitlichen Defiziten abservieren - wenn Vorgesetzte in der Verwaltung nicht allerhöchste Rückendeckung hätten, würden sie so etwas nicht machen."