Michael Heuchemer
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Dr. Michael Heuchemer

  



www.blog.beck.de: Berichte und Diskussionen zum Fall Magnus Gäfgen vs. Bundesrepublik Deutschland (mündliche Verhandlung Große Kammer EGMR 18.3.2009)

Gäfgen erreicht in Straßburg Annahme durch die Große Kammer 

Experte: Prof. Dr. Bernd v. Heintschel-Heinegg
VRiOLG

05.12.2008, 10:15 Uhr
Nachdem Magnus Gäfgen bei der "Kleinen" Kammer des EGMR - wie berichtet - eine Niederlage hatte, beantragte  sein Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Michael Heuchemer die Verweisung an die Große Kammer. Mit Datum 1. Dezember 2008 hat ein Ausschuss von fünf Richtern der Großen Kammer den Antrag angenommen. Dies geschieht nach Art. 43 Abs. 2 EMRK dann, "wenn die Rechtssache eine schwerwiegende Frage der Auslegung oder Anwendung dieser Konvention oder der Protokolle dazu oder eine schwerwiegende Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft."  - Das ist schon ein wichtiger Teilerfolg, zumal dies bei Individualbeschwerden nicht häufig geschieht.
zur anschließenden wissenschaftlichen Diskussion www.blog.beck.de

Süddeutsche Zeitung 18.3.2009:

Gäfgens letzter Prozess?

Mordfall Jakob von Metzler
Der Fall des verurteilten Kindsmörders Magnus Gäfgen kommt nun zum zweiten und letzten Mal vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Die Große Kammer des Gerichts verhandelt von diesem Mittwoch an über die Klage Gäfgens gegen die Bundesrepublik Deutschland. Darin wirft der Mörder des Frankfurter Bankierssohnes Jakob von Metzler dem deutschen Staat vor, ihm sei im Rahmen der Ermittlungen Folter angedroht und anschließend ein faires Verfahren verweigert worden.
In dem Verfahren vor dem EGMR zur Folterdrohung der Frankfurter Kripo geht es um die Artikel 3 und 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention. In Artikel 3 heißt es: "Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden." Artikel 6 gewährleistet ein faires Verfahren, das jeder Person zustehe.

Die beteiligten Parteien haben an diesem Mittwoch ihre Rechtsauffassung vorgetragen. Die entscheidenden Beweise für die Verurteilung Gäfgens seien durch die Folterdrohungen der Polizei erpresst worden, sagte dessen Anwalt Michael Heuchemer. Sein Geständnis sei erzwungen und ein Verstoß gegen das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Dem widersprach der Vertreter der Bundesregierung, Jochen Frowein. Gäfgen habe seine Tötungsabsicht vor Gericht gestanden. Die Beweismittel, darunter die Obduktionsergebnisse der Leiche des Kindes, seien nur benutzt worden, um das Geständnis Gäfgens zu bestätigen.

"Verfahren gegen Folter"
Der Gerichtshof hatte Gäfgens Klage im Juni 2008 zunächst abgelehnt. In ihrer damaligen Entscheidung erklärten die Straßburger Richter, die Folterandrohung durch den damaligen Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner und einen Hauptkommissar sei eine unmenschliche Behandlung gewesen. Gäfgen habe jedoch Genugtuung erhalten.

Die deutschen Gerichte hätten "ausdrücklich und unzweideutig anerkannt", dass die Folterdrohungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstießen. Außerdem seien die beiden Polizeibeamten strafrechtlich verfolgt worden. Damit seien Gäfgens Nachteile ausgeglichen. Auch eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren wurde vom EGMR verneint. Schließlich seien die Geständnisse, die Gäfgen unter Zwang ablegte, im Strafprozess nicht verwertet worden.
Gegen die Entscheidung des EGMR hatte Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer erfolgreich Berufung eingelegt. Nun muss die mit 17 Richtern besetzte Große Kammer des Gerichts entscheiden. Die Entscheidungen der Kammer sind endgültig und für Deutschland bindend. Sollte die Bundesrepublik verurteilt werden, könnte das Strafverfahren gegen Gäfgen vor einem deutschen Gericht neu aufgerollt werden.

Menschenrechtsorganisation schaltet sich ein
"Es geht uns um weit mehr als nur einen Einzelfall", sagte Heuchemer. Der Prozess in Straßburg sei ein "Verfahren gegen Folter". Es sei schon als Erfolg zu werten, dass die Große Kammer den Fall nochmals behandele. Das Gericht sehe offenbar die grundsätzliche Dimension des Falls Gäfgen. Inzwischen ist der Klage gegen die Bundesrepublik auch die britische Menschenrechtsorganisation Redress beigetreten. Man habe sich eingeschaltet, um auf eine klare Definition von Folter zu drängen, die auch die Androhung von Folter einschließe, heißt es auf deren Webseite.

Der damalige Jurastudent Magnus Gäfgen hatte am 27. September 2002 den elfjährigen Jakob in seine Wohnung gelockt und ermordet. Drei Tage später wurde er nach der observierten Lösegeld-Übergabe festgenommen. Die Ermittler gingen davon aus, dass der Junge noch lebte. Da Gäfgen dessen Aufenthaltsort nicht verraten wollte, ließ Polizeivizepräsident Daschner ihm Schmerzen androhen. Danach gab Gäfgen den Ort an, an dem die Leiche des Kindes gefunden wurde.
Am 27. Juni 2003 wurde Gäfgen zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Am 20. Dezember 2004 sprach das Frankfurter Landgericht Daschner der Anstiftung zur Nötigung schuldig, aber wegen "massiver Milderungsumstände" erteilte es nur eine "Verwarnung mit Strafvorbehalt". Der mitangeklagte Kriminalhauptkommissar wurde wegen schwerer Nötigung verurteilt.

Spiegel-Online 17.3.2009

Europäischer Gerichtshof verhandelt im Fall Magnus Gäfgen
Erneut prüft der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde des Kindsmörders Magnus Gäfgen: Ein neuer Prozess wäre für die Eltern des ermordeten Jungen "eine schreckliche Vorstellung". Ihr Anwalt spricht von "einer schweren Belastung".
Straßburg - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im französischen Straßburg beschäftigt sich am Mittwoch erneut mit einer Beschwerde des Kindsmörders Magnus Gäfgen gegen die Bundesrepublik Deutschland, der vor mehr als sechs Jahren einen Bankierssohn in Hessen entführt und getötet hat. Die erste Kammer des Gerichts hatte im vergangenen Jahr Gäfgens Beschwerde abgewiesen.
Ein Erfolg des 33-Jährigen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wäre für die Angehörigen des Kindes "eine schreckliche Vorstellung", sagte ihr Anwalt Eberhard Kempf der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Für den Fall, es käme zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens und zu einer neuen Hauptverhandlung in Deutschland kommen, spricht Kempf, der zum Straßburger Verfahren Stellung nehmen durfte, von einer "schweren Belastung" für die Familie von Metzler.
Gäfgen wirft dem deutschen Staat vor, ihm sei im Rahmen der Ermittlungen Folter angedroht und anschließend ein faires Verfahren verweigert worden. Der Gerichtshof hatte Gäfgens Klage im Juni 2008 zunächst abgelehnt. In ihrer damaligen Entscheidung hatten die Straßburger Richter erklärt, die Folterandrohung durch den damaligen Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner und einen Hauptkommissar sei eine unmenschliche Behandlung gewesen.
Gegen die Entscheidung des EGMR hatte Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer erfolgreich Berufung eingelegt. Nun muss die mit 17 Richtern besetzte Große Kammer des Gerichts entscheiden. Die Entscheidungen der Kammer sind endgültig und für Deutschland bindend. Sollte die Bundesrepublik verurteilt werden, könnte das Strafverfahren gegen Gäfgen vor einem deutschen Gericht neu aufgerollt werden.

"Es geht uns um weit mehr als nur einen Einzelfall", sagte Heuchemer. Der Prozess in Straßburg sei ein "Verfahren gegen Folter". Es sei schon als Erfolg zu werten, dass die Große Kammer den Fall nochmals behandele. Das Gericht sehe offenbar die grundsätzliche Dimension des Falls Gäfgen. Der Anwalt bestätigte einen Medienbericht, wonach der Klage gegen die Bundesrepublik mittlerweile auch die britische Menschenrechtsorganisation Redress beigetreten ist.
Der damalige Jurastudent Magnus Gäfgen hatte am 27. September 2002 den elfjährigen Sohn einer Bankiersfamilie in seine Wohnung gelockt und ermordet. Drei Tage später wurde er nach der observierten Lösegeld-Übergabe festgenommen.
Am 27. Juni 2003 wurde Gäfgen zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Am 20. Dezember 2004 sprach das Frankfurter Landgericht Daschner der Anstiftung zur Nötigung schuldig, aber wegen "massiver Milderungsumstände" erteilte es nur eine "Verwarnung mit Strafvorbehalt". Der mitangeklagte Kriminalhauptkommissar wurde wegen schwerer Nötigung verurteilt.

N 24 18.3.2009

Gäfgen-Anwalt will Verurteilung Deutschlands
Der Kindsmörder Gäfgen hat wegen Folterdohungen eine Verurteilung Deutschlands vor dem Europäischen Gerichtshof verlangt. Gibt das Gericht dem Antrag statt, kann der Fall neu aufgerollt werden.
Wegen der polizeilichen Folterdrohung gegen den Kindsmörder Magnus Gäfgen hat sein Anwalt Michael Heuchemer eine Verurteilung Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verlangt. Heuchemer sagte vor der Großen Kammer des Gerichtshofs in Straßburg, Gäfgen seien während des Ermittlungsverfahrens fundamentale Rechte vorenthalten worden. Sollte das Gericht dem Antrag folgen, hätte der Häftling die Möglichkeit, ein Wiederaufnahmeverfahren des Mordprozesses zu beantragen. Wann die Entscheidung des EGMR bekanntgegeben wird, ist noch offen.

Geständnis unter Gewaltandrohung
Der Vorsitzende Richter Jean-Paul Costa erklärte zum Abschluss der mündlichen Verhandlung, das Gericht werde über den Fall beraten und einen Verkündungstermin anberaumen. Gäfgen-Anwalt Heuchemer sagte, erst die Androhung schwerster Schmerzen habe Gäfgen dazu gebracht, preiszugeben, wo er die Leiche des elfjährigen Jakob abgelegt hatte. Dadurch sei eine Vielzahl objektiver Beweise auf unzulässige Weise in die Hände der Ermittler gelangt. Sie hätten daher vor Gericht nicht verwertet werden dürfen: "Diese Beweise waren entscheidend für die Verurteilung und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld." Gäfgen selbst nahm an der Verhandlung in Straßburg nicht teil.

Effektive Verteidigung nicht mehr möglich
Da das Landgericht Frankfurt am Main die Verwertung der durch Folterandrohung erlangten Beweise zugelassen habe, sei eine effektive Verteidigung Gäfgens nicht mehr möglich gewesen, kritisierte sein Anwalt. Daher habe der Beschuldigte sich gezwungen gesehen, sein Geständnis im Prozess zu wiederholen. Gäfgen habe schweres Unrecht begangen, was er zutiefst bereue. Die Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention müssten aber auch für ihn gelten.
Der Prozessvertreter der Bundesrepublik, Jochen Frowein, betonte, schon drei deutsche Gerichte hätten bestätigt, dass die Androhung von Folter im Ermittlungsverfahren gegen Gäfgen unzulässig sei. Wesentlich sei aber, dass die Frankfurter Polizisten dem Entführer des Bankierssohnes keine Schmerzen angedroht hätten, um ihn zu überführen, sondern um das Kind zu retten. "Die Polizei glaubte, der Junge sei noch am Leben", sagte Frowein. Aus diesem Grund habe auch das Frankfurter Landgericht zu Beginn der Hauptverhandlung das Geständnis gegenüber der Polizei für nicht verwertbar erklärt.

Es war ein faires Verfahren
Die beiden für die Folterdrohung verantwortlichen Polizisten seien verurteilt und von ihren Posten entfernt worden. Damit sei die Verletzung der Menschenrechtskonvention schon von deutschen Gerichten geahndet worden. Frowein widersprach dem Vorwurf, es habe sich im Prozess gegen Gäfgen um kein faires Verfahren gehandelt. Niemand habe Gäfgen zu seinem Geständnis vor Gericht gezwungen. Der Angeklagte habe gestanden, um sein Gewissen zu erleichtern. Dieses Geständnis aber sei ausschlaggebend für die Verurteilung gewesen. Die Sachbeweise hätten lediglich dazu gedient, die von Gäfgen gemachten Aussagen objektiv abzusichern.

Große Kammer muss entscheiden
Der zu lebenslanger Haft verurteilte Jurist hatte schon einmal vor dem EGMR verlangt, die Bundesrepublik Deutschland wegen der Androhung von Folter zu verurteilen. Eine einfache Kammer des Gerichtshofs hatte seinen Antrag am 30. Juni 2008 abgelehnt. Nach erfolgreicher Berufung muss nun die mit 17 Mitgliedern besetzte Große Kammer des Straßburger Gerichts entscheiden.

Gäfgen hatte am 27. September 2002 den elfjährigen Bankierssohn in seine Wohnung gelockt und ermordet. Drei Tage später wurde er nach einer observierten Lösegeldübergabe festgenommen. Am 27. Juni 2003 verurteilte das Frankfurter Landgericht Gäfgen zu lebenslanger Haft wegen Mordes.

Rhein-Zeitung 18.3.2009


Foltergegner setzen auf den Fall Gäfgen
Straßburg/London Selbst die Pressestellen des Weissen Rings und von Amesty International in Deutschland wussten bislang wenig über Redress.
Die Organisation, die Opfern von Folter zur Seite steht, ist in Deutschland kaum bekannt. Das dürfte sich mit der Beteiligung am Verfahren von Kindesmörder Gäfgen ändern.
Die Menschenrechtsorganisation Redress erhofft sich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Gäfgen-Fall ein deutliches Zeichen, dass Folter in jedem Fall verboten ist. Unsere Zeitung hat mit Lutz Oette gesprochen, der bei Redress das Programm zur nationalen Um- und Durchsetzung der Rechte von Folteropfern in aller Welt leitet.
Wie häufig erlebt Ihre Organisation es, dass Folteropfer sich zuvor selbst schuldig gemacht haben?
Das ist oft schwierig zu beurteilen. Folter verzerrt Verfahren und kann dazu führen, dass nicht mehr im Einklang mit dem Recht feststellbar ist, ob jemand tatsächlich schuldig ist. Letztendlich kommt es darauf aber nicht an. Das Folterverbot ist absolut, es gibt keine Ausnahmen. Der Staat muss andere Ermittlungsmethoden anwenden.
Und das soll das Gericht klar herausstellen?

Redress hofft, dass der Gerichtshof das absolute Folterverbot stärkt und die Rechtslage unter der Europäischen Menschenrechtskonvention klarstellt. Dies gilt besonders für die Verpflichtung der Behörden, für Folter verantwortliche Beamte strafrechtlich zu belangen, wobei die Strafe die Schwere der Tat deutlich wiederspiegeln sollte.
Sie wollen sagen, dass das Urteil gegen den damaligen Polizeivize Wolfgang Daschner zu milde war?
Das Strafmaß soll abschreckende Wirkung haben, die potentielle Täter zurückhält und damit der Stärkung des Folterverbots dient. Strafen in Folterfällen haben Signalwirkung. Die verhängte Geldstrafe auf Bewährung zeigt nicht, dass diese Maßstäbe und Faktoren ausreichend berücksichtigt worden sind. Auch unter Berücksichtigung von mildernden Umständen (Daschner wollte den Aufenthaltsort des entführten Kindes erfahren, Anm. d. Red.) wird sie der Schwere von Folter beziehungsweise deren Androhung nicht gerecht.
Zurück zu Ihren Hoffnungen in den Gerichtshof...

Es geht uns auch um das Recht von Folteropfern auf Wiedergutmachung – unabhängig vom vorherigen eigenen Verhalten, das nie Folter rechtfertigen kann. Zudem hoffen wir, dass der Gerichtshof klarstellt, dass unter Folter erlangte Geständnisse und so gewonnene Beweise – die sogenannten „Früchte des verbotenen Baums“ – im Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen.
Sie tragen vielleicht dazu bei, dass die Bundesrepublik verurteilt und ein Kindesmörder milder bestraft wird.
Redress vertritt nicht Herrn Gäfgen. Täter schwerer Verbrechen sollen angemessen zur Rechenschaft gezogen werden. Dies ist eine Pflicht des Staates und ein Recht der Angehörigen des Opfers. Uns geht es um die Aufrechterhaltung rechtlicher Prinzipien, die dem Schutz von Personen dienen, die der Gefahr der Folter ausgesetzt sind. Der Fall verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass Behörden Folter unter allen Umständen vermeiden müssen, wenn sie den Erfolg strafrechtlicher Verfahren nicht gefährden wollen.
Sehen Sie es wie Gäfgens Anwalt, dass Folter durch Behörden in Deutschland zwar vorkommt, aber fast nie zu belegen ist?
Folter ist in jedem Land möglich, aber grundsätzlich nur schwierig nachzuweisen. Viele Methoden, insbesondere mentale Folter, hinterlassen keine Spuren, und oft gibt es keine Zeugen. Deshalb ist es wichtig, dass die Folter in Deutschland als eigenständige Straftat anerkannt wird und dass Ermittlungsverfahren bei Verdacht der Folter prompt, unabhängig und effektiv durchgeführt werden.

Gab es auch Bedenken, sich einzuschalten?
Wir haben eingehend diskutiert. Die Entscheidung ist nach sorgfältigen Studium der Entscheidung der Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefallen, als ersichtlich war, dass der Fall grundsätzliche Bedeutung hat.
Der Fall taugt dazu, das große Zeichen für die Unverletzlichkeit des Foltersverbots zu setzen?
Unbedingt. Es besteht die Gefahr, dass sich die Rechtsprechung von den Umständen des Falles und Reaktionen in der Öffentlichkeit beeinflussen lässt und so das Folterverbot aufgeweicht wird. Es muss klar sein, dass auch Menschen, die schwerster Straftaten verdächtig sind, nicht der Folter unterzogen werden dürfen. Das Folterverbot dient der Rechtsstaatlichkeit. Es ist eine große Errungenschaft, die nicht einfach in Frage gestellt werden sollte. Auch, weil eine derartige Haltung den Kampf gegen die Folter weltweit untergräbt.

Wo Sie mit westlichen Industrieländern aber eher wenig Arbeit haben dürften...
Redress war an einer Reihe von Verfahren zu verschiedenen Aspekten des Folterverbots in Nordamerika und Großbritannien beteiligt und hat in Verfahren vorm Europäischen Menschenrechtsgerichtshof mitgewirkt. Wir bemühen uns auch um Aufklärung und ein Ende der Praxis der USA, im Anti-Terror-Einsatz Personen rechtswidrig an Drittländer zu Verhörzwecken zu überstellen. Es gibt zunehmend Beweise, dass es dabei zu Folter gekommen ist und dass mehrere europäische Länder durch ihre Beteiligung gegen das Folterverbot verstoßen haben.
Die Fragen stellte Lars Wienand

AP-Meldung / net tribune

17. März 2009

Straßburg verhandelt erneut über Kindsmörder Gäfgen

Straßburg - Der Fall des verurteilten Kindsmörders Magnus Gäfgen kommt nun zum zweiten und letzten Mal vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die Große Kammer des Gerichts verhandelt ab (dem morgigen) Mittwoch über die Klage Gäfgens gegen die Bundesrepublik Deutschland. Darin wirft der Mörder des Frankfurter Bankierssohnes Jakob von Metzler dem deutschen Staat vor, ihm sei im Rahmen der Ermittlungen Folter angedroht und anschließend ein faires Verfahren verweigert worden.

Der Gerichtshof hatte Gäfgens Klage im Juni 2008 zunächst abgelehnt. In ihrer damaligen Entscheidung hatten die Straßburger Richter erklärt, die Folterandrohung durch den damaligen Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner und einen Hauptkommissar sei eine unmenschliche Behandlung gewesen. Gäfgen habe jedoch Genugtuung erhalten.

Die deutschen Gerichte hätten «ausdrücklich und unzweideutig anerkannt», dass die Folterdrohungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstießen. Außerdem seien die beiden Polizeibeamten strafrechtlich verfolgt worden. Damit seien Gäfgens Nachteile ausgeglichen. Auch eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren wurde vom EGMR verneint. Schließlich seien die Geständnisse, die Gäfgen unter Zwang ablegte, im Strafprozess nicht verwertet worden.

Anwalt verweist auf grundsätzliche Bedeutung
Gegen die Entscheidung des EGMR hatte Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer erfolgreich Berufung eingelegt. Nun muss die mit 17 Richtern besetzte Große Kammer des Gerichts entscheiden. Die Entscheidungen der Kammer sind endgültig und für Deutschland bindend. Sollte die Bundesrepublik verurteilt werden, könnte das Strafverfahren gegen Gäfgen vor einem deutschen Gericht neu aufgerollt werden.

«Es geht uns um weit mehr als nur einen Einzelfall», sagte Heuchemer der AP. Der Prozess in Straßburg sei ein «Verfahren gegen Folter». Es sei schon als Erfolg zu werten, dass die Große Kammer den Fall nochmals behandele. Das Gericht sehe offenbar die grundsätzliche Dimension des Falls Gäfgen. Der Anwalt bestätigte einen Medienbericht, wonach der Klage gegen die Bundesrepublik mittlerweile auch die britische Menschenrechtsorganisation Redress beigetreten ist.

Daschner ließ Schmerzen androhen
Der damalige Jurastudent Magnus Gäfgen hatte am 27. September 2002 den elfjährigen Jakob in seine Wohnung gelockt und ermordet. Drei Tage später wurde er nach der observierten Lösegeld-Übergabe festgenommen. Die Ermittler gingen davon aus, dass der Junge noch lebte. Da Gäfgen dessen Aufenthaltsort nicht verraten wollte, ließ Polizeivizepräsident Daschner ihm Schmerzen androhen. Danach gab Gäfgen den Ort an, wo die Leiche des Kindes gefunden wurde.

Am 27. Juni 2003 wurde Gäfgen zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Am 20. Dezember 2004 sprach das Frankfurter Landgericht Daschner der Anstiftung zur Nötigung schuldig, aber wegen «massiver Milderungsumstände» erteilte es nur eine «Verwarnung mit Strafvorbehalt». Der mitangeklagte Kriminalhauptkommissar wurde wegen schwerer Nötigung verurteilt.