Michael Heuchemer
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Dr. Michael Heuchemer

  
Frankfurter Rundschau 9.11.2009

Steuerfahnder-Fall

Der Nervenarzt und die Justiz

Von Matthias Thieme
 

Das Landgericht Frankfurt setzt den Frankfurter Nervenarzt Thomas H. weiter als Gutachter ein, obwohl die Staatsanwaltschaft und die Ärztekammer gegen den Mediziner wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse ermitteln.

Aus Sicht der Ärztekammer soll der Neurologe und Psychiater Thomas H. für das Land Hessen "Gefälligkeitsgutachten" erstellt haben, um etwa in Ungnade gefallene Steuerfahnder als "querulatorisch" zu brandmarken und dauerhaft aus dem Dienst des Landes zu drängen. Noch im November soll vor dem Gießener Landgericht die Verhandlung gegen H. im berufsrechtlichen Verfahren beginnen.


Auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt weiter gegen den Mann, der im Sommer erneut in die Schlagzeilen geriet, weil die von ihm als unheilbar psychisch krank diagnostizierten Steuerfahnder später von Oberärzten der Uniklinik als psychisch kerngesund begutachtet wurden.
 
 
Arzt unter Verdacht

Der Gutachter Thomas H. soll über vier ehemalige Steuerfahnder nervenärztliche Gutachten für das Land Hessen angefertigt haben, die zur Dienstunfähigkeit der aufmüpfigen Fahnder führten.

Die Staatsanwaltschaft durchsuchte im Juni die Wohnung des Neurologen und Psychiaters. Die Ärztekammer verklagte Holzmann wegen des Verdachts, er habe falsche Gutachten angefertigt. (thie)
Die hessische Landesregierung gab sich besorgt: Bis die Vorwürfe geklärt seien, werde man davon absehen, "den Gutachter mit weiteren Aufträgen zu betrauen", versprach der hessische Gesundheitsminister Jürgen Banzer am 31. Juli 2009 in einem Schreiben, das der FR vorliegt.

Doch schon am 22. September wird Thomas H. als Gutachter vom Landgericht Frankfurt wieder bestellt - ausgerechnet in einem der schwierigsten Prozesse, die in Hessen derzeit geführt werden. Als unabhängiger Sachverständiger soll Holzmann entscheidende Gutachten erstellen in dem Zivilprozess, den der Kindermörder Magnus Gäfgen gegen das Land Hessen führt.

Für das Land geht es hier um äußerst heikle Dinge: Um die Frage der Folterdrohung gegen Gäfgen im Verhör, um die Frage, wer im Innenministerium dieser Folterdrohung zustimmte und dem damaligen Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner hierfür freie Hand gab. Ein Verfahren, bei dem es auf äußerste Sorgfalt ankommt. Ein Gutachter musste bereits ausgetauscht werden, weil er im Verdacht stand, eine Akte mit intimsten Details über Gäfgen herumgereicht zu haben - und nun das: Das Gericht bestellt als neuen Gutachter Thomas H., gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt und gegen den die Ärztekammer die härtesten Sanktionen in Gang gesetzt hat.Die Bestellung des umstrittenen Frankfurter Nervenarztes als Gutachter ist eine Steilvorlage für Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer. "Es ist eine Farce, einen Gutachter zu bestellen, der im Verdacht steht, Gefälligkeitsgutachten für das Land Hessen angefertigt zu haben", sagt Heuchemer der FR. "Ausgerechnet Herr H. wird zum Gutachter in einem der heikelsten Verfahren gegen das Land Hessen." Da sowohl Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) als auch der Gesundheitsminister Jürgen Banzer (CDU) über die Ermittlungen gegen den Gutachter informiert seien, sei es höchst irritierend und nicht nachvollziehbar, dass Holzmann nun doch wieder eingesetzt werde. "Das ist skandalös", meint Anwalt Heuchemer. "Das Verfahren ist in bemerkenswerter Weise entgleist."

Die Bestellung des Gutachters stehe im "krassen Widerspruch zu den Aussagen der Minister". Die Ablehnung des Gutachters hat das Landgericht mit Eilschreiben von ihm schon bekommen, so Heuchemer: "Die Befangenheit ist in diesem Fall offensichtlich."

Auch im Hessischen Landtag löst der Vorgang am Sonntag Befremden aus. "Da kann man ja nur noch mit dem Kopf schütteln", sagt Norbert Schmitt, finanz- und haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion auf Anfrage der FR. "Das ist völlig unprofessionell", so Schmitt, "es darf nicht sein, dass jemand, gegen den standesrechtliche Verfahren laufen und gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt, als Gutachter bestellt wird." Selbst wenn das Gericht diesen Umstand eventuell übersehen haben sollte, sei es "die Pflicht des Landes Hessen, diesen Gutachter abzulehnen", sagt Schmitt.

"Es ist unvorstellbar, dass man sich in einem so heiklen Verfahren angreifbar macht", so der Politiker weiter. "Das ist ein sehr peinlicher Vorgang für den Justizminister". Auch eine Aussage des Gesundheitsministers Banzer sei "offenbar nichts wert, weil der Justizminister das Gegenteil zulässt".

Rhein-Zeitung 9.11.2009