Michael Heuchemer
Herzlich Willkommen.
Dr. Michael Heuchemer

  

Wie beherzt dürfen Retter im Notfall helfen?

Rhein-Zeitung, Gesamtausgabe, Seite 3/Rheinland-Pfalz, 10.September 2009

Einsatz schmerzstillender Medikamente soll Ärzten vorbehalten bleiben - Innenministerium und Ärztlicher Leiter rechtfertigen Esketamin-Verbot


Was soll ein Rettungsassistent tun, wenn er einen Patienten mit starken Schmerzen behandeln muss und kurzfristig kein Notarzt verfügbar ist? Viele Helfer griffen in solchen Fällen zum Medikament Esketamin. Doch weil manche Ärzte und Behörden dessen Nebenwirkungen fürchten und die Retter dafür nicht umfassend genug ausgebildet sehen, ist es in den meisten Regionen des Landes jetzt für sie tabu. Das empört viele Rettungsdienstler: Wie sollen sie Patienten jetzt noch angemessen helfen?

Rheinland-Pfalz, Rettungsassistenten in der moralischen Klemme: Die Frage, wie sie sich gegenüber Patienten mit starken Schmerzen verhalten sollen, da sie ihnen in weiten Teilen des Landes wegen des Esketamin-Verbots de facto keinerlei schmerzstillendes Medikament mehr geben dürfen, ist noch immer nicht abschließend beantwortet. Hermann-Josef Gundlach, zuständiger Referatsleiter im rheinland-pfälzischen Innenministerium, und Dr. Guido Scherer, Sprecher der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst im Land, betonen aber: Es wird weiter, etwa mit dem Gesundheitsministerium, mit Nachdruck an einer möglichst schnellen Lösung gearbeitet.

Suche nach Alternative
Sie wollen erreichen, dass Retter künftig in solchen Situationen ein hilfreiches Medikament verabreichen dürfen, das wegen geringer Nebenwirkungen gefahrloser anzuwenden ist. Eigentlich war Morphin das Mittel der Wahl, doch weil es unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, ist es für die Nicht-Mediziner verboten. Nun wird weiter eine Alternative gesucht.
Gundlach und Scherer weisen dabei darauf hin, dass sie ein Verbot von Eskatamin in den Händen von Rettungsassistenten nicht gefordert haben, weil sie deren Arbeit gering schätzen, Im Gegenteil: "Wir haben einen wirklich guten Rettungsdienst mit sehr engagiertem Personal", unterstreicht Gundlach. Doch es dürfte nicht verkannt werden, dass Esketamin bei einer falschen Dosierung Patienten das Leben kosten könne. Um auf alle Eventualitäten zu reagieren, reiche die zweijährige Ausbildung zum Rettungsassistenten, bei der Pharmakologie nur ein kleiner Bestandteil sei, eben nicht aus. Selbst Ärzte mit mehrjährigem Studium und einer wesentlich größeren Praxis beim Anwenden von Medikamenten würden bei Esketamin stets allergrößte Vorsicht walten lassen. In 99 Prozent aller Fälle sei ein solches Medikament aber ohnehin nicht nötig, erklärt Guido Scherer. Es reiche, den Patienten angemessen zu stabilisieren und in die Klinik zu bringen. "Es gibt jedoch leider keine klare Antwort, wie man sich in derart schwierigen Situationen abwägen. Das tun wir. "Denn auch wenn bislang niemand zu Schaden gekommen und jeder gut behandelt worden sei, rechtfertige das nicht, die Gefahr in Kauf zu nehmen, dass auch nur ein Mensch durch falsche Anwendung des Mittels sterben könnte. In lebensbedrohliche Situationen seien geeignete Medikamente weiter auch für Rettungsassistenen erlaubt, so Scherer.

Land: Bürger gut versorgt
Das sieht Oberstarzt Dr. Harald Lischke, kommissarischer Leiter der Anästhesie im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, nicht anders. Wie Oberfeldarzt Dr. Stefan Schaefer, neben Dr. Christian Voigt designierter Ärztlicher Leiter Rettungsdienst für die Bereiche Koblenz/Montabaur, kann er das Dilemma der Retter verstehen. Es gebe aber leider nun einmal Situationen, in denen nur eine eingeschränkte Hilfe möglich sei. Nach den Worten von Hermann-Josef Gundlach sind die Menschen im Land bei Notfällen aber nach wie vor gut versorgt. Dazu trage die Entscheidung bei, die Rettungshubschrauber in Koblenz und Siegen noch öfter zu nutzen, um Notärzte schnell zu Einsätzen zu bringen.
Aus juristischer Sicht ist aber zu beachten, dass Retter in rechtliche Probleme kommen können, wenn sie im geeigneten Fall Esketamin nicht verabreichen, schreibt Rechtsanwalt Michael Heuchemer in einem Gutachten. Das könne unterlassener Hilfeleistung gleichkommen. Es sei daher zu prüfen ob sich durch die Anstiftung dazu auch derjenige einer Straftat schuldig gemacht hat, der die Gabe dieses Medikaments untersagt.
Christan Kirstges

Reaktion


Widerstand im Westerwald

Laut Hermann-Josef Gundlach vom rheinland-pfälzischen Innenministerium haben fast alle Rettungsdienstbereiche im Land die Empfehlung umgesetzt. Esketamin für Rettungsassistenten zu verbieten. Nur die Kreisverwaltung Montabaur will das nicht. In einem Schreiben an das Ministerium, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es unter anderem: Der Kreis sieht keine Veranlassung dazu. Rettungsassistenten im Rettungsdienstbereich Montabaur seien entsprechend qualifiziert, das Medikament zu verabreichen. Eine Medizinerin gewährleiste dies als Ärztliche Beraterin des Roten Kreuzes.

Das Ministerium, der Sprecher der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD), Dr. Guido Scherer, und Dr. Stefan Schaefer, designierten ÄLRD, sehen die Dauer dieser Schulung aber äußerst kritisch, da sie zu kurz sei. Gundlach ist jedoch zuversichtlich, den Landrat des Kreises zum Umdenken zu bewegen. Indes gibt es nach Informationen unserer Zeitung auch Rettunsassistenten im Land, die sich über das Verbot hinwegsetzen. Für sie steht die Hilfe für Patienten im Vordergrund. Wenn ihr Handeln gerechtfertigt ist, haben sie von ihrem Chef nicht unbedingt Sanktionen zu befürchten.
(cki)